Norbert Triestram

Norbert Triestram, geboren 1918 in Breslau kam nach dem
2. Weltkrieg nach Holzminden. Die Stadt an der Weser, in der seine Mutter geboren wurde, war Anlaufstelle und wurde zu seiner Wirkungsstätte.

Norbert Triestram arbeitete als selbständiger Fotograf. Seine Arbeiten hielten die Lebensabläufe und Umbrüche in der damaligen Zeit in Besondererweise fotografisch fest. Die hier zu sehenden Fotografien entstanden ab 1948 bis ca. 1960.

Über meinen Vater

Mein Vater wurde am 7. März 1918 als einziges Kind der Eheleute Triestram in Breslau (heute Wroclaw) geboren. Seine Eltern waren zum Anfang des Jahrhunderts in die Stadt an der Oder gezogen. Nach seiner Ausbildung zum Bauingenieur gründete der Vater ein Baugeschäft in Breslau. Das Studium hatte er an der Baufachschule in Holzminden an der Weser absolviert, wo er seine spätere Frau Elise Falke kennen lernte. Das kleine Baugeschäft lief in den 20er Jahren gut. So baute die Firma mit an der Polizeisiedlung und an der Stadthalle von Breslau. Mein Vater wuchs, wie man so sagt, in geordneten Bahnen auf.

Der frühe Tod des Vaters mit Mitte 50 führte Anfang der 40er Jahre dazu, dass die Mutter meines Vaters in den Schoß ihrer Familie nach Holzminden zurückkehrte. Mein Vater hatte die Ferien häufig dort bei seinen Tanten verbracht, und Holzminden war somit für ihn zur zweiten Heimat geworden.
Durch den Verlauf der Geschichte sollte sich herausstellen, dass die Jahrgänge vor und nach 1920, zu denen mein Vater gehörte, für junge Männer zu einer schlimmen Zeit werden würden. Die Schule beendete mein Vater wie man damals sagte, mit dem Einjährigen (Mittlere Reife). Sein Wunsch war es, eine Ausbildung zum Kameramann bei der UFA zu beginnen. Fotografie und Film waren zur damaligen Zeit eine hochmoderne und neue Technik mit einem besonderen Anspruch, und das hatte meinen Vater wohl angesprochen. Doch zuvor wurde er zum Reichsarbeitsdienst eingezogen.
Dieser wurde von 1935 bis 1938 eingerichtet, und jeder 18- bis 25-Jährige musste diesen Dienst für ein halbes Jahr absolvieren. Ich gehe davon aus, dass mein Vater ihn um 1937-1938 leistete. Direkt nach seinem Arbeitsdienst wurde mein Vater zur Wehrmacht eingezogen.

Am 1. September 1939 begann mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Mein Vater hatte durch seinen Berufswunsch den Sprung in eine Aufklärungskompanie der Luftwaffe geschafft. Er wurde in der Bodeneinheit im Labor eingesetzt. Durch diese wichtige Arbeit war das Personal während der gesamten Zeit des Krieges nicht in Kriegshandlungen eingebunden. Er hatte “viel Glück”, körperlich unbeschadet durch den Krieg zu kommen. Berücksichtigt man, dass mein Vater von 1937 bis zum Ende des Krieges seinen beruflichen Werdegang nicht starten konnte, waren also ca. 7 Jahre vergangen.

1945 begann er mit mittlerweile 27 Jahren in Holzminden eine Lehre zum Fotografen,
die er im Jahre 1948 abschloss. Ab 1948 durfte in der englichen Zone wieder fotografisch gearbeitet werden, so dass mein Vater als freischaffender Fotograf in Holzminden arbeiten konnte. Er begann als normaler Fotograf und nahm zusätzlich Arbeiten für die hiesige Presse an. Vor Ort gab es zwei Zeitungen, den traditionellen „Täglichen Anzeiger“ und eine Regionalausgabe die „Neuen Presse“ aus Hannover. Für beide Zeitungen arbeitete mein Vater. Das Archiv von Norbert Triestram beginnt zu dieser Zeit. Ein besonderes Zeitdokument entstand. Durch den Exodus war kurz nach dem Krieg die Einwohnerzahl der kleinen Stadt an der Weser von ehemals 11.000 Einwohnern auf über 20.000 gestiegen. Dies wurde ohne neuen Wohnraum vollbracht. Die Stadt war wie ein Ameisenhaufen. Vieles aus dieser Zeit spiegelt sich in den Fotografien meines Vaters wider.

In den Hort seiner Familie zurückgekehrt, begann mein Vater nun mutig, eine eigene Familie zu gründen. Kurz nacheinander wurden drei Kinder geboren. Zwei Mädchen und in der Mitte ein Junge. Viele Jahre später noch ein Mädchen. Meine Mutter hatte es sicherlich nicht leicht, denn die Kindererziehung und die Bewältigung des Alltags ruhten allein auf ihren Schultern. Mein Vater war selten zuhause.
Bedingt durch seine Arbeit als Fotograf und die zusätzliche Pressearbeit, setzte er das unstete Leben der Kriegsjahre fort und hatte nur sehr wenig Zeit für seine Familie.
Zum Nomaden war er in jungen Jahren geworden, und ein Nomade blieb er noch eine lange Zeit. Zu Zeiten, die keiner kannte, flog unser Vater ein und war auch schon wieder weg. Häufig waren unsere Mutter und wir Kinder Modelle für seine Bildinszenierungen.

Die Verbindung der fotografischen Pressearbeit mit seiner normalen fotografischen Arbeit ist das Besondere an der Arbeit meines Vaters. Erst dadurch entsteht der feine Reiz in seinen Bildern. Bis Anfang 1970 blieb mein Vater selbstständiger Fotograf. Danach arbeitete er als Bildjournalist für den Täglichen Anzeiger.
Im Alter von 71 Jahren verstarb mein Vater nach kurzer Krankheit in Holzminden.